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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.03.2009
Aktenzeichen: 13 U 71/08
Rechtsgebiete: ZPO, GVG
Vorschriften:
ZPO § 517 | |
ZPO § 519 | |
ZPO § 520 | |
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 3 | |
ZPO § 563 Abs. 2 | |
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 5 | |
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7 | |
GVG §§ 17 ff | |
GVG § 17 a |
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 4. April 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az.: 1 O 512/06, aufgehoben und zur weiteren Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien, geschiedene Eheleute, streiten um eine Entschädigung für die alleinige Nutzung des im ihrem Miteigentum stehenden Wohngrundstücks durch die Beklagte. Auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil, die in tatsächlicher Hinsicht weder angegriffen noch ergänzt worden sind, wird Bezug genommen.
In dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, weil es sich um eine familiengerichtliche Streitigkeit handele. An den Beschluss des erkennenden Senats vom 14. Februar 2008, Az.: 13 W 4/08, bestehe keine Bindung, weil dieser sich nur zur Verweisung, nicht zur Zulässigkeit der Klage verhalte.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung seiner Argumente sowohl aus erster Instanz als auch aus dem Beschwerdeverfahren 13 W 4/08 weiter verfolgt.
Der Kläger beantragt,
das am 4.4.2008 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az:. 1 O 512/06, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn beginnend mit dem Monat September 2006 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 400 € für das von der Beklagten allein genutzte, im ideellen Miteigentum der Parteien stehende Haus in G., ... zu zahlen, die Rückstände fällig sofort, die zukünftigen Monatsbeträge jeweils zum 5. eines jeden Monats, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf jeweils rückständige Beträge vom 5. eines jeden Monats an.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und zur Verhandlung an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze und der Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Auf Antrag der Beklagten ist das angefochtene Urteil und das Verfahren aufzuheben und an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen, § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO.
Die Klage ist zulässig. Dies folgt bereits aus dem Beschluss des erkennenden Senats im Beschwerdeverfahren 13 W 4/08, das den Verweisungsbeschluss des Landgerichts Potsdam gemäß § 17 a GVG vom 10.12.2007 zum Gegenstand hatte. Nachdem der Senat auf die sofortige Beschwerde des Klägers den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 10.12.2007 aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen hatte, hatte das Landgericht die rechtliche Beurteilung des Senats zur Einordnung des Streites über die Nutzungsentschädigung als allgemeine zivilrechtliche Streitigkeit in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
1. Der Annahme der Bindungswirkung gemäß § 563 Abs. 2 ZPO steht nicht entgegen, dass die rechtliche Beurteilung einer Klage auf Nutzungsentschädigung nicht Gegenstand einer früheren Entscheidung des Senats in einem Berufungs-, sondern in einem Beschwerdeverfahren war. Die in § 563 Abs. 2 ZPO für das Verfahren nach Aufhebung in der Revisionsinstanz vorgeschriebene Bindungswirkung gilt gleichermaßen für Berufungsverfahren vor den Landgerichten und den Oberlandesgerichten; sie gilt auch für Verfahren nach Aufhebung und Zurückverweisung in Beschwerdeverfahren (vgl. Musielak-Ball, ZPO, 6. Aufl., § 572 Rn. 18). Danach würde der Beschluss des Senats zum Az.: 13 W 4/08 in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO ohne Weiteres Bindungswirkung für das Landgericht entfalten, wenn die nunmehr angefochtene Entscheidung erneut in Beschlussform ergangen und über sie im Beschwerdeverfahren zu entscheiden wäre. Dies muss entsprechend dem Sinn und Zweck der Bindungswirkung auch dann gelten, wenn - wie hier - nach Aufhebung und Zurückverweisung einer Sache (§ 538 Abs. 2 ZPO) die der Aufhebung zugrunde liegende rechtliche Beurteilung erneut Grundlage für eine abschließende Entscheidung des Untergerichts lediglich in anderer Form ist. Für die gemäß § 563 Abs. 2 ZPO vorgesehene grundsätzliche Bindungswirkung von im Rechtsmittelverfahren geäußerten Rechtsauffassungen macht es keinen Unterschied, ob die nach Aufhebung und Zurückverweisung zu treffende erneute Entscheidung in der Sache in derselben Form wie die aufgehobene ergeht. Maßgeblich ist vielmehr allein der Inhalt der erneuten Entscheidung.
2. Soweit das Landgericht eine Bindung an die vorgenannte Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren 13 W 4/08 verneint hat, weil diese sich nur zur Verweisung, nicht zur Zulässigkeit der Klage verhalte, wird die Reichweite der Bindungswirkung des § 563 Abs. 2 ZPO verkannt. Zwar enthält der vorgenannte Beschluss entsprechend dem Gegenstand des Verweisungsbeschlusses formal keine Entscheidung zur Zulässigkeit der Klage. Eine vorgehende gerichtliche Entscheidung konkret zu der nach Aufhebung und Fortsetzung des Verfahrens erneut zu treffenden Entscheidung ist indessen für die Bindungswirkung im Sinne des § 563 Abs. 2 ZPO auch nicht erforderlich. Sie erfasst jede rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist. Zu der der Aufhebung zugrunde liegenden rechtlichen Beurteilung im Sinne des § 563 Abs. 2 ZPO zählen alle Ausführungen des Rechtsmittelgerichts zu Geltung und Inhalt von Rechtsnormen des materiellen und des Prozessrechts (Musielak-Ball, ZPO, 6. Aufl., § 563 Rn. 10 mwN; Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 563, Rn. 3 a). Deren Bindungswirkung reicht soweit, als sie unmittelbar zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung geführt hat; sie erstreckt sich lediglich nicht auf in obiter dicta geäußerte Rechtsauffassungen oder Hinweise des Rechtsmittelgerichts (Musielak-Ball, a.a.O., § 563 Rn. 11). Der Beschluss des erkennenden Senats im Beschwerdeverfahren beinhaltet Ausführungen zu den §§ 17 ff GVG und deren unmittelbarer und analoger Anwendung im Verhältnis zwischen ordentlicher streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit. Soweit darin die Streitigkeit zwischen den Parteien als eine allgemein zivilrechtlicher Natur eingeordnet und vom Anwendungsbereich des § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO ausgenommen worden ist, handelt es sich bei den betreffenden Feststellungen nicht um obiter dicta, sondern um eine - von der im angefochtenen Beschluss abweichende - rechtliche Beurteilung, welche unmittelbar zu dessen Aufhebung geführt hat. Unter Punkt 2 b) und c) des Beschlusses zum Az.: 13 W 4/08 hat der Senat Feststellungen zur fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengerichts - getroffen. Für die im Rahmen des § 563 Abs. 2 ZPO maßgebliche Frage, welche rechtliche Beurteilung der Aufhebung unmittelbar zugrunde liegt, kommt es allein auf die Kausalität an. Sie besteht, soweit das Rechtsmittelgericht die tragende rechtliche Beurteilung des Untergerichts für rechtsirrig hält und deshalb die angefochtene Entscheidung aufhebt, BGHZ 132, 6, 10. So liegt der Fall hier. Tragende rechtliche Erwägung für die vom Landgericht Potsdam ausgesprochene Verweisung des Rechtsstreits an das Familiengericht durch Beschluss vom 10.12.2007 war die Einordnung der Streitigkeiten zwischen den Parteien als Familiensache im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO. Dieser Beurteilung ist der Senat im Beschwerdeverfahren nicht gefolgt und hat den Beschluss deshalb aufgehoben. Dabei hat ausweislich der Gründe des Beschlusses zum Az.: 13 W 4/08 nicht allein das Fehlen der Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des § 17 a GVG im Verhältnis zwischen streitiger ordentlicher und freiwilliger Gerichtsbarkeit zur Aufhebung des Verweisungsbeschlusses geführt. Vielmehr beruhte die Aufhebung gleichzeitig darauf, dass nach Auffassung des Senats auch die Voraussetzungen für eine in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte analoge Anwendung der §§ 17 ff GVG im Verhältnis zwischen freiwilliger und streitiger ordentlicher Gerichtsbarkeit nicht erfüllt waren. Soweit es dazu unter Punkt 2 b) des Beschlusses zur Begründung heißt, für eine analoge Anwendung der §§ 17 ff GVG sei kein Raum, weil die Streitigkeit über die Nutzung von Miteigentum nach der Scheidung nicht den Regelungen der HausratsVO und damit nicht der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterfalle, kann die Kausalität der abweichenden Rechtsauffassung zur Einordnung der Streitigkeiten über Miteigentum nach Scheidung keinem ernsthaften Zweifel unterliegen. Dies gilt umso mehr, als der Senat unter Punkt 2 b) und ergänzend unter Punkt 2 c) ausdrücklich klar gestellt hat, dass die Nutzung von Miteigentum nach Scheidung nicht als Familiensache im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO zu qualifizieren sei. Damit hat er nicht nur die fehlende Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengerichts -, sondern mangels anderweitiger in Betracht kommender sachlicher Zuständigkeit zugleich die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts mit der Bindungswirkung gemäß § 563 Abs. 2 ZPO festgestellt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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